Pfandhausraub
Es war der bislang aufwendigste Strafprozess in Schleswig Holstein.
Bewaffnete und maskierte SEK-Beamte führten die zwölf Angeklagten aus ihren stählernen Haftcontainern hinterm Gebäude an ihre Sitzplätze im großen Saal des Oberverwaltungsgerichts. Jedern der zwölf Abgeklagten wird von zwei Beamten des SEK während der gesamten Gerichtsverhandlung bewacht. Hinzu kommen jeweils zwei Verteidiger.
Die fünfköpfige Strafkammer unter Richter Carsten Tepp hat somit schon mal 48 Herren vor sich. Dazu kommen die beiden Staatsanwälte, zwei Gutachter, zwei Opfer-Anwälte der Nebenklage, zwei Ersatzschöffen, die Protokollkräfte und sechs Dolmetscherinnen.
Zwei Stunden dauert die Verlesung der fünf Anklageschriften. Den Angeklagten wird vorgeworfen, im Tatzeitraum August bis November 2014 drei Juweliergeschäfte in Kiel, Düsseldorf und München brutal überfallen zu haben, wobei es in München bei der Planung blieb, weil die Bande zwischenzeitlich observiert wurde.
Die Belehrung der Angeklagten über ihr Recht, sich zur Sache und zur Person einzulassen oder auch zu schweigen, ist noch nicht erteilt, da bringt Richter Tepp das Thema Verständigungsgespräche ins Spiel. Zuvor hatte Staatsanwalt Christopher Sievers die Fühler in Richtung eines möglichen Kronzeugen ausgestreckt: Der Benjamin der mutmaßlichen Bande, K. (22), hatte nach seiner späten Festnahme im Juli 2015 offenbar als Erster und Einziger bei der Polizei ausgesagt. Wenn der Nachzügler auch vor Gericht auspackt, könnte es für einige Mitangeklagte eng werden.
Im Fall eines umfassenden Geständnisses und der Aufklärungshilfe zu Tatbeiträgen seiner Komplizen, so signalisierte die Anklage, werde man sich für den Kronzeugen mit vier Jahren Haft zufrieden geben. Strafverteidiger Dr. Volker Berthold pokert dagegen auf „zwei bis maximal drei Jahre“ für den jungen Mann. Jetzt muss K. Angst vor der Rache der baltischen Mafia haben, zu seiner Sicherheit ist er bereits im Zeugenschutzprogramm. Nicht mal seine Anwälte kennen seinen Aufenthaltsort. K. soll am 22. August 2014 dabei gewesen sein, als der Düsseldorfer Juwelier in seinem Geschäft mit acht wuchtigen Fußtritten gegen den Kopf schwer verletzt wurde. Der Angeklagte P. (33), ein auffallend kräftiger Mann mit markantem Kinn, sei es gewesen, soll K. gesagt haben.
Seine Aussagebereitschaft könnte dem Prozess schnell eine besondere Dynamik verleihen. Noch ist offen, ob Verständigungsgespräche geführt werden, ob man sich auf einen Deal einigt. Der Vorsitzende Carsten Tepp hat vorsorglich ein transparentes und faires Verfahren zugesagt: „Wir werden nicht versuchen, den einen gegen den anderen auszuspielen.“
Der Prozess dauerte mehrere Monate und endete für K. mit einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren.
Er befindet sich im Zeugenschutzprogramm.
Quelle: KN Online